Der vierte Teil einer spannenden Fortsetzungsgeschichte – Von Karla Böke (6.3)

Ihre Mutter hat Pfannkuchen gemacht. Nach ein paar Minuten Stille fragt sie dann: „Und Spätzchen, was hast du die ganze Zeit gemacht? Ich habe dich schon gesucht. Warst du unten mit Poppie Gassi?“ (Poppie ist die Hündin von Frau Pumpleck. Sie wohnt unter ihnen und Sophie geht manchmal mit Poppie Gassi, weil Frau Pumpleck auch nicht mehr die jüngste ist.) „Nein, nein, ich war auf dem Dachboden und hab mir alte Fotos von Felix angeguckt. „Oh, da warst du lange nicht mehr.“ Nach dem Essen geht Sophie sofort in ihr Zimmer um sich das Tagebuch und den Schlüsselanhänger noch einmal genauer anzuschauen. Während sie liest und nebenbei unbewusst an ihrem Schlüsselbund herumspielt, fällt ihr eine kleine Einkerbung am zweiten F-Streifen vom Anhänger auf. Sie ruckelt leicht daran und es erscheint ein kleiner USB-Stick. Es ist ein geheimes Versteck. Schlagartig wird ihr einiges klar. Das hatte ihr Bruder also mit „Er wird dir irgendwann weiterhelfen“ gemeint. Sie springt von ihrem Bett und sucht in dem Klamottenhaufen auf ihrem Sessel nach ihrem Laptop. Nur leider ist das ein sehr altes Modell. Sie hatte ihn von ihrer Tante bekommen, weil sie sich einen neuen Laptop gekauft hat. Und deswegen passt der Stick auch nicht rein. Aber zum Glück ist ihre Mutter gerade einkaufen und sie kann unbemerkt an ihren Laptop, um die Datei, die ihr Bruder ihr hinterlassen hat, zu öffnen. Doch was kann bloß ihr Passwort sein? Sophie überlegt …vielleicht das Geburtsdatum von ihr und ihrem Bruder. Also 30090501. Nein zu lang. Mist ! Hier irgendwo muss doch ein Hinweis sein, nur ein kleiner. Vielleicht unterm Schreibtisch? Ein kleiner Zettel oder ähnliches. Sophie greift unter den Tisch und tastet alles ab. Wieder nichts außer ein kleines Spinnennetz, in das sie hereingefasst hat. In der Ecke muss dringend mal geputzt werden. In dem Moment kommt ihr eine Idee. Natürlich! Das gleiche Passwort wie auf dem Tablet. Dass sie da nicht sofort darauf gekommen ist. Also tippt sie “4756” ein, und der Laptop wird entsperrt. Jetzt muss sie nur noch schnell den Stick reinstecken, die Datei öffnen und ein Foto davon machen. Doch statt eines Briefes, einer Email oder Bildern erscheint nur ein Codefeld und ein kleiner Text, der lautet: Weißt du noch den jenem Tag als Vater uns verlassen mag? Also ein großer Dichter war Sophies Bruder nicht, aber das ist im Moment egal. Das einzige was zählt, ist wann dieser Tag war. Aber wie soll sie das denn herausfinden? Irgendwann nach Weihnachten 28, 29, 30…. Woher soll sie das wissen? Zu dieser Zeit war sie erst 8 Jahre alt und noch nicht wirklich im Stande sich so traurige Tage zu merken. Im Gegenteil – eigentlich hatte sie versucht, alles, was sie an ihren Vater erinnert, zu verdrängen. Aber irgendwie muss sie es doch herausfinden. Vielleicht weiß es ihre Mutter noch. Aber die ist verständlicherweise nicht so gut darauf zu sprechen. Oder vielleicht auch ihre Tante, die Schwester ihrer Mutter. Sie hat seit dem Tag einen sehr großen Groll auf ihren Vater, weil niemand ihre Schwester so verletzten durfte. Also holt sie ihr Handy und ruft ihre Tante an. „Hallo Sophie… Schön das du mich anrufst. Was ist der Grund um diese späte Zeit?“ Spät? Es war doch nicht spät! Das letzte Mal, als sie auf die Uhr geguckt hat, war es 17:00 Uhr. „ Weil ich…naja… weil ich dich fragen wollte, wann Papa uns verlassen hat ?“ Am Ende des Satzes ist sie so leise geworden, dass man sie nur mit viel Konzentration verstehen konnte. Doch ihre Tante tat das: „Also Kindchen, wieso kommst du immer auf so grausame Themen? Da bist du ganz wie dein Vater! Wenn man sich mit ihm unterhielt, war es, als würde man gegen die Wand sprechen; oder er antwortete nur mit so lächerlichen Antworten, die dann auch noch witzig sein sollten. Ich habe ja nie verstanden, was deine Mutter an diesem Kerl fand.“ Sie macht eine kleine Kunstpause und seufzt einmal laut auf. „Wenn du es aber wissen willst, es war vor sechseinhalb Jahren am 28.12. Es war ein grausamer Tag für uns alle. Ich weiß noch, wie deine Mutter mich spät abends tränenüberströmt anrief und mir von dem Abschiedsbrief berichtete. Ach. Ich hoffe, das hat dir weitergeholfen, aber vielleicht willst du mal wieder zu Besuch…“ Bevor ihre Tante den Satz zu Ende sprechen konnte, fällt ihr Sophies ins Wort: „ Ja, danke! Mama ist gerade reingekommen und ich muss auflegen.“ Ohne eine weiteres Wort drückt sie auf “Anruf beenden”.

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