Die Schulzeitung der IGS Franzsches Feld

(Fast) ein Jahr in Finnland

Moi! Minä olen Marie ja minä olen 18. Olen saksassa. Wie ihr jetzt wisst, heiße ich Marie, bin mittlerweile schon 18 Jahre alt und war letztes Jahr mit AFS 7 Monate in Finnland. Es sollten eigentlich 10 Monate sein, aber durch Corona war ich Ende März zuhause. Ich hatte mich mental auf die letzten 3 Monate vorbereitet und plötzlich waren es nur noch 3 Tage Kofferpacken und Warten auf das Unausweichliche. Es war wirklich eines der schlimmsten Gefühle, die es gibt… Man wusste nicht, was kommt, werden alle einfach nach Hause geschickt? Oder muss ich nicht? Es waren einfach so unfassbar viele Fragen.

Seit der fünften Klasse wollte ich perfekt Spanisch sprechen, daher kam auch meine Idee ein Jahr ins Ausland zu gehen. Nichtsdestotrotz kam mir das Leben dazwischen, was auch gut ist. Manchmal sind die besten Entscheidungen nicht die, die geplant sind, sondern die, die einen einfach so überrumpeln. Ich wollte schon immer nach der Schule ins Ausland und ein komplett anderes Leben führen. Ich wollte ein neues Land, neue Leute kennenlernen und eine echte Herausforderung annehmen – an meinen Schwächen und Stärken arbeiten.

Da mein Erstwunsch nicht geklappt hat, bin ich froh auf meine Eltern gehört zu haben. So wurde Finnland daraus. Vielleicht würde es euch interessieren, was meine Länderwünsche waren:

1. Argentinien

2. Uruguay

3. Chile

4. Norwegen

5. Schweden

6. Finnland

Ich sollte eigentlich vom 16.8.2019 -15.6.2020 in Finnland bleiben. Tja, Corona machte mir einen Strich durch die Rechnung. Es fühlt sich so an, als wäre es gestern gewesen. Ich stand in Turku an der Bushaltestelle und wartete auf den Bus nach Helsinki. Yuxuan, meine Freundin aus China, schrieb mir, sie würde von AFS nach Hause geschickt werden, und dann kam Enas Nachricht ein paar Minuten später. Dann hieß es auch gleich Koffer packen, denn es wurde ausführlich gesagt, 6 Stunden vorher kann oder wird dir Bescheid gegeben. Während ich den Online-Unterricht mitmachte, packte ich gleichzeitig meinen Koffer. In diesen vier Tagen, die Tage, die mir noch blieben, ohne mich von all meinen Freunden zu verabschieden, war ich richtig traurig. Ich traf mich noch ein letztes Mal mit Rikuka und Ornella, da ich wusste, ich fahre nicht so schnell nach Japan. Selbst dieser Abbruch hat mich zwar tieftraurig gemacht, aber zugleich gestärkt, denn ich wurde dankbar für die 7 Monate, die ich dank AFS erleben durfte. Seid dankbar für alles Gute und Schlechte, das euch widerfahren ist. Es hat euch zu dem Menschen gemacht, der ihr heute seid.

Ich habe in einer kleinen Gemeinde gelebt, welche Nurmijärvi heißt. Sie ist ungefähr eine Stunde von Helsinki entfernt. Das Dorf hat ungefähr 7.000 Einwohner. Ich bin es gewohnt, in einem kleinem Ort zu leben. Hier in Deutschland sind es ungefähr 20.000 Einwohner. In Nurmijärvi ist es für Finnland gar nicht so kalt, aber die Kälte hat mir schon gereicht.

Nun zu meiner Gastfamilie. Ich hatte 3 Gastgeschwister. Mein gleichaltriger Gastbruder war mit mir das einzige Kind zuhause. Meine zwei anderen Gastgeschwister haben nicht mehr zu Hause gelebt. Sie studieren in Turku. Einer Stadt, die man bei keinem Finnlandtrip auslassen darf.

Da meine Gastschwestern in ihrem Auslandsjahr in Argentinien war, hatten wir sofort ein Gesprächsthema. Nachdem ich von ihren Argentinien-Geschichten erfuhr, war ich froh, dass es für mich woanders hinging. Damit will ich sagen, egal was kommt, es wird gut, wenn du dich darauf einlässt! Nun zu meinen Gasteltern: Sie sind wirklich die besten Gasteltern, die ich mir hätte vorstellen können. Wenn mein Gastvater mal nicht da war, wusste man nie so recht, wo er gerade war, entweder er bringt meinen Gastbruder zum Sporttraining, er ist beruflich in Stockholm oder er hilft seinem Vater in Jyväskylä aus. Wir haben alle Familienmitglieder besucht. Es war wirklich toll! Jeder war herzlich und man fühlte sich geborgen. An einem Wochenende habe ich dann die gesamte Familie meiner Gastmutter kennengelernt. Sie haben mir so wie alle in meiner Gastfamilie gut geholfen, durch die 7 Monate sorglos zu kommen. Ich hätte nicht gedacht so viel Glück zu haben!

Mein Geburtstagsgeschenk war: eine Moomin-Tasse (Moomin ist wahrhaftig finnischer Nationalstolz) und eine Fahrt nach Stockholm. So wie viele Finnen Milch zu jedem Essen trinken, lieben sie es auch auf Kreuzfahrtschiffen zu sein. Im Allgemeinen kann man sagen, selbst wenn eure Gastfamilie nicht viel mit euch reist, ist die Hauptsache, dass man hat Spaß bei allem, was man macht. Am besten ist es die Zeit mit den Liebsten zu verbringen, auch wenn das auf Filmabende mit Salzpopcorn hinausläuft

Nun ein paar Tipps für Finnland:

  • Finnen trinken zu jeder Mahlzeit ein Glas Milch. Dabei ist es für unsere Verhältnisse Wasser-Milch, da der Fettanteil 0,1% ist.
  • Nun zu finnischen Türen: Man muss den Riegel nach oben schieben um abzuschließen, und nach unten schieben, wenn die Tür offen bleiben soll.
  • In Finnland gibt es typische Skandinavien-Häuser: Pastell bemalte Holzhäuser, mit roten Dachziegeln.
  • Nimm immer eine Power Bank mit – das Handy entlädt sich sehr schnell bei der klirrenden Kälte.
  • Wenn ihr die Chance habt, macht einen Ausflug auf einem Volkstanzschiff nach Estland mit. Es ist wirklich cool und man sieht Volkztänzer aus aller Welt.
  • Geht in die Sauna! Ich habe ungefähr 5% meiner Freizeit in der Sauna verbracht. Ich habe mich stolzerweise von 40-60° C auf 100°C in Lappland hochgearbeitet.
  • Geht einfach mal durch euren Ort, ohne ein Ziel zu haben. Es lohnt sich!

Nun zu meiner Schule:

Meine Schule hieß Nurmijärvi Lukio. Diese wurde aber zu Nurmijärven yhteiskoulun lukio geändert. Das ist die Oberstufe, auf die noch 200 weitere Schüler gehen. Als ich mit meiner Gastmutter in der Schule war, musste ich eine erschreckende Entdeckung machen: Grundschüler sind aufgeschlossener als Oberstufenschüler. Ich war mit meiner Gastmutter in der Grundschule, da sie dort unterrichtet. Es war wirklich spannend zu sehen, wie sie mit einem reden wollen, wohingegen Finnen, wenn sie älter sind und mit dir reden wollen, sie das nur mit einem Lächeln zeigen. Man kann bestätigen dass Finnen wirklich so verschlossen sind, wie alle sagen. Das macht es nicht leichter Freundschaften zu schließen und doch habe ich es geschafft.

Dadurch war es natürlich auch manchmal einsam an der Schule. Zum Glück kann ich sagen, nicht die einzige Austauschülerin an der Schule gewesen zu. Ich habe viel mit den anderen beiden AFS- Austauschschülerinnen gemacht: Fernanda aus Chile und Yara aus Deutschland. Zudem waren auch noch Leeloo aus Australien und Bruna aus Kroatien mit mir an der gleichen Schule.

Die Schule beginnt um 8:55 Uhr und endet um 16:45 Uhr. Man kann 5 bis 8 Fächer wählen. Ich hatte 5 Fächer. Alle 7 Wochen war dann die Klausuren-Woche. Bis dahin musste man das gesamte Buch durcharbeiten. Jede Schulstunde dauert 1,5 Stunden. Man hat einen Spind in der Schule, in dem man die Schulsachen verstauen kann. Zudem bringt jeder seinen eigenen Laptop mit in die Schule. Im Finnischen Schulsystem, wird alles mit dem Computer gemacht, davon ist Mathe auch nicht ausgeschlossen. Freies WLAN war in jeder Schule Standard. Tendenziell kann man sagen, der finnische Unterricht ist viel anspruchsvoller als der deutsche. Durch die 5 Kurse, die man belegen musste, hat man sehr viel gelernt. Man konnte zum Beispiel mehrere Englisch-Kurse nehmen, wie z.B. Englische Grammatik, Intensivkurs Sprechen etc. In den Freistunden fuhr ich nach Hause oder beschäftigte mich in dem Freizeitraum, wo es auch einen Fernseher, Sofas, Computer, Sitzsäcke und ein Klavier gab. Außerdem gab es dort eine kleine integrierte Bibliothek.

Ich unterhielt mich häufig auch mit Yara oder Fernanda.

Von 12:15 bis 12:50 Uhr hatten wir Mittagspause. Das Mittagessen wird von der Schule gestellt. Man konnte zwischen 3 Gerichten wählen. Das Essen war für jeden zugänglich. Es war auch nicht unüblich sich beim Essen mit seinen Lehrern zu unterhalten.

Es ist für deutsche Schüler ein bisschen gewöhnungsbedürftig, dass man den Lehrer beim Vornamen anspricht. Würdet ihr mich nach den Nachnamen meiner Lehrer fragen, ich wüsste die wenigsten. Zu den Lehrern hatte man eine eher freundschaftliche Beziehung. Zweitrangig waren sie auch deine Lehrer.

Freizeit und Lappland

Hei mitä kuuluu? Nach der Schule habe ich einen Finnisch-Kurs besucht, zudem habe ich auch noch Ringette gespielt. Ringette ist wie Ice-Hockey, aber mit einem Stick und einem Ring. Demnach wird es genauso, wie Ice-Hockey gespielt. Die Hausaufgaben habe ich meist in der Schule oder direkt nach der Schule erledigt. An den Wochenenden haben wir manchmal Spiele gespielt oder am Abend einen Film zusammen geschaut. Zudem habe ich mich an den Wochenenden mit Freunden in Helsinki getroffen. Wir gingen ins Kino, saßen im Café und quatschten oder gingen in Restaurants. Meine Freizeit habe ich zu 80% mit anderen befreundeten Austauschschülern verbracht. Sie übernachteten bei mir und wir kochten Japanisch, was übrigens sehr lecker ist.

Zudem bietet AFS in Finnland für Austauschschüler eine Fahrt nach Lappland an. Ich war dort Anfang Februar, wer hätte gedacht, dass wir dort schon erfuhren, dass die ersten Austauschschüler aus China nach Hause geschickt worden waren, wegen der Pandemie. Die Fahrt ging über 6 Tage. Wir waren in Kairosmaja, was nochmal ein Stück höher, als Rovaniemi ist. Es war nie wärmer als -15°C. Die 6 Tage waren im Durchschnitt -20°C. Es war wirklich eine super Erfahrung „Avanto“ zu machen. Ja, wirklich, ich liebe Eistauchen. Auch du solltest es bei Gelegenheit versuchen. Die Sauna hat so zwischen 95 und 100°C, das fühlt sich jedoch nicht mehr so heiß an, wenn man erstmal bei -20°C mit den Flip Flops draußen ist. Vergiss niemals deine Flip Flops nach der Sauna um zum zugefroren See zu gehen. Die einzige Gefahr ist, dass dir deine Haare abbrechen, so wie mir das eine Mal. Einmal mit der Hand dagegen gekommen und schon hält man eine Haarsträhne in der Hand! In Lappland waren wir ungefähr 100 Austauschschüler von überall her. Ich teilte mir ein Zimmer mit meinen besten Freundinnen, da wir wohl uns alle wohl gegenseitig aufgeschrieben haben. Wir hatten irgendwie alles gemeinsam (ja, das geht, wirklich!): Rikuka, eine meiner besten Freundinnen aus Japan genauso wie Chiharu und Toby aus Hong Kong. Unser Zimmer sah meistens so aus wie auf dem Bild. Im Laufe der paar Tage habe ich, das kann man wirklich sagen, Freunde fürs Leben gefunden. Wir waren so durchschnittlich 10 Austauschschülerinnen in unserem Zimmer. Überwiegend durch sie habe ich etwas von anderen Kulturen gelernt, oder dass man auf einem Internat leben kann, nur damit man nicht so früh aufstehen muss. Viele meiner Freunde, dich ich dort kennengelernt habe, sind aus Japan, Hong Kong, Thailand, USA, Chile etc. Ihr wisst worauf ich hinaus will: Es ist wirklich super, jetzt weltweit vernetzt zu sein.

Leider habe ich die Nordlichter nicht gesehen, aber es wird nicht das letzte Mal sein, dass ich meine Gastfamilie in Finnland besuchen werde.

Wenn ihr wirklich Spaß haben wollt, freundet euch mit Latinos an! Nicht dass ihr mit anderen Kulturen kein Spaß haben könntet, doch, das werdet ihr. Und wie! Latinos sind wirklich tolle und hilfsbereite Freunde. Es ist nur manchmal schwierig, wenn sie weiter Spanisch sprechen, selbst wenn jemand daneben sitzt, der kein Spanisch kann. Aber selbst das war nach einiger Zeit kein Problem mehr. Als Austauschschüler gibt es keine Grenzen. Sei offen und stelle deine Fragen. Niemand wird dich schräg angucken, es zeigt nur dein Interesse.